Regelkonforme Optionen

10. Oktober 2024 – Eine Erhöhung des Anteils von Ethanol in Ottokraftstoffen, zum Beispiel Super E20, könnte eine Option sein, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Obwohl es derzeit keine gültige Norm für Kraftstoff mit mehr als 10 und bis 50 % Ethanol gibt, ist ihre Abgabe an Tankstellen dennoch zu Forschungs- und Erprobungszwecken gestattet. Dafür müssen die Betreiber einige Regularien beachten und Voraussetzungen erfüllen.

In Deutschland für den allgemeinen Warenverkehr zugelassene Ottokraftstoffe müssen mit der DIN EN 228 (E5, E10) oder DIN EN 15293 (E85) konform sein. E10plus-Kraftstoffe mit einen Ethanolgehalt über 10 Vol-% bis hin zu 50 Vol-% entsprechen diesen Normen nicht. Insbesondere unterscheiden sie sich von den Hauptkraftstoffsorten E5 und E10 dadurch, dass ihr Sauerstoffgehalt deren Grenzwert von 3,7 Gew-% übersteigt. Aktuelle Aktivitäten des Europäischen Komitees für Normung (Comité Européen de Normalisation, CEN) deuten jedoch darauf hin, dass Kraftstoff bis zu einer Beimischung von maximal 20 % Bioethanol in eine Norm für Ottokraftstoffe aufgenommen werden und so der Weg zu einer Zulassung des Kraftstoffs in Europa, und

damit auch in Deutschland, geebnet werden könnte. Für Kraftstoffe mit maximal 20 Vol-% Ethanol (E20) bestehen in Teilen der derzeit in Deutschland zugelassenen Fahrzeugflotte bereits offizielle Hersteller-Freigaben. Im Oktober 2023 wurde an einer Tankstelle in Mannheim eine Zapfsäule für die Abgabe von Super E20-Kraftstoff zu Forschungs- und Erprobungszwecken umgewidmet. Der Tankstellenbetreiber sowie die beteiligten Fahrzeugflotten und Automobilindustrie erproben Super E20 als Kraftstoff im Rahmen eines Feldversuchs. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen in das Normungsverfahren für E 20-Kraftstoffe einfließen.

Ausnahmeregelung in der 10. BImSchV

In Deutschland regelt die 10. Verordnung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV), welche Kraftstoffe in Verkehr gebracht werden dürfen. Der Verordnungsgeber hat für das Inverkehrbringen bzw. Überlassen eines Kraftstoffs an Dritte bewusst Ausnahmen geschaffen für Kraftstoffe, die vom üblichen Muster der Spezifikationen abweichen und sich noch dem Normungsverfahren unterziehen müssen. Sie dürfen zu Forschungs- und Erprobungszwecken zeitlich befristet an einen begrenzten Nutzerkreis abgegeben werden (§ 16 (Ausnahmen), Abs. 1 und 2 der 10. BImSchV).

Der Nutzerkreis ist durch geeignete Maßnahmen einzuschränken, wie etwa eine Tankkarte oder ein Schloss an der Zapfsäule, damit eine Fehlbetankung von Fahrzeugen durch unbefugte Nutzer ausgeschlossen werden kann. Die Abgabe von E10plus-Kraftstoff ist gegenüber der für die Tankstelle zuständigen Behörde anzeigepflichtig. Für eventuelle Prüfungen sind gegebenenfalls Nachweise zu erbringen, dass die Abgabe von E10plus gemäß den geltenden Vorschriften im Wasserrecht, der Bauaufsicht, Betriebssicherheitsverordnung und EG-Maschinenrichtlinie erfolgt. Bei der Erstellung dieser Nachweise ist eine Zusammenarbeit mit der für die Tankstelle zuständigen zugelassenen Überwachungsstelle (ZÜS) empfehlenswert.

Ethanol darf nicht in den Abscheider gelangen

Zu beachten sind unter anderem sicherheitstechnische und abwasserrechtliche Vorgaben. Hinsichtlich des Brand- und Explosionsschutzes bestehen aufgrund von Untersuchungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt keine Bedenken bei der Verwendung von Bioethanol an Tankstellen, sofern der Ethanolgehalt im Kraftstoff 60 Vol.% nicht übersteigt.

In § 62 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) sind Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen formuliert, die auch für Tankstellen sowie Eigenverbrauchstankstellen gelten.

Zapfpistole für die Abgabe von Super E20-Kraftstoff im Tankstutzen eines Pkw.
Super E20-Kraftstoff darf aktuell nur an einen geschlossenen Nutzerkreis abgegeben werden. Foto: Teresa Kröger

Dem entsprechend müssen Tankstellen die allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllen und so errichtet, unterhalten, betrieben sowie stillgelegt werden, dass Verunreinigungen von Gewässern ausgeschlossen sind. Die Anforderungen des WHG werden in der bundeseinheitlichen Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) weiter ausgeführt. Diese bezieht gemäß § 17 Absatz 1 AwSV die Planung von Tankstellen sowie in Anwendung von § 24 Absatz 3 AwSV die Instandsetzung ein. Spezifiziert werden diese Anforderungen durch die Technischen Regeln wassergefährdende Stoffe (TRwS) der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA).

Da es bisher keine belastbaren Daten zur Unbedenklichkeit der Einleitung von ausgelaufenen E10plus Kraftstoffen in das Abwasser von Tankstellen gibt, schließt die TRwS 781 die Ableitung über Leichtflüssigkeitsabscheider an Tankstellen grundsätzlich aus. Dabei gilt die Besorgnis der TRwS 781 nicht dem als eher unbedenklich einzustufende Austreten von Tropfmengen bei der Betankung von Fahrzeugen. Das Augenmerk richtet sich primär auf mögliche Havarien bei der Betankung der Lagertanks durch Tanklastwagen, wobei potenziell größere Mengen Kraftstoff austreten und ins Abwasser gelangen könnten.

Die TRwS 781 bietet als alternative Option zum Leichtflüssigkeitsabscheider die Einleitung der Abwässer in einen unterirdischen Auffangraum, der keine Verbindung zur Kanalisation hat und bei Bedarf durch einen anerkannten Fachbetrieb zu entleeren ist. Da die wenigsten öffentlichen Tankstellen über einen solchen Auffangraum verfügen dürften, bleibt den meisten nur die weitere von der TRwS 781 eröffnete Möglichkeit zur Rückhaltung austretender E10plus-Kraftstoffmengen auf der Abfüllfläche der Tankstelle. Dafür sind eine Reihe von Bedingungen zu erfüllen.

Definition Schlauchsystem für die Anlieferung

Die Art der Rückhaltung von E10plus-Kraftstoffen auf der Tankstelle hat Auswirkungen auf die Optionen zur Anlieferung per Tankwagen. Für den Fall der Rückhaltung auf der Abfüllfläche schließt die TRwS 781 die bei der Betankung allgemein übliche Verwendung eines 3“-Füllschlauchs mit Tankwagenkupplung grundsätzlich aus. Alternativ dazu definiert die TRwS 781 verschiedene Schlauchsysteme, mit denen ein Tankwagen E10plus-Kraftstoff anliefern darf. Unter den zur Verfügung stehen Optionen hat sich der „einteilige 2“-Füllschlauch mit Trockenkupplungen an beiden Schlauchenden“ bei einer Testbetankung als praktikabel herausgestellt.

Anschluss eines Füllschlauchs mit einer Trockenkupplung an einen Tankwagen.
Probelauf für die Betankung eines Lagertanks, bei dem ein Füllschlauch mit Trockenkupplung mittels Adapter an einen Tankwagen mit TW-Kuplung angeschlossen wurde. Foto: EDi Hohenlohe

Für die Anlieferung gilt, dass die Bodenabläufe auf der Abfüllfläche geeignet zu bedecken sind, damit der Kraftstoff nicht in den Leichtflüssigkeitsabscheider gelangen kann. Abdeckkissen, wie sie in Tankwagen üblicherweise mitgeführt werden, reichen dafür aus, weil die TRwS 781 davon ausgeht, dass es mit darin definierten Schlauchsystemen nicht zu einer Havarie kommen kann und Abdeckkissen zum Auffangen von Tropfmengen geeignet sind.

Kompatibilität der Materialien mit E10plus prüfen

Die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Bioethanol-haltigen Kraftstoffen unterscheiden sich von denen der rein fossilen in Abhängigkeit der jeweiligen Bioethanol-Blendrate. Darum ist die Kompatibilität der Materialtypen, die üblicherweise in der Tankstelleninfrastruktur zu finden sind, mit E10plus-Kraftstoffen zu prüfen. Auch Tankstellen, die in der Vergangenheit eine E85-Zulassung erhalten haben, müssen den Nachweis erbringen, dass sie gemäß Wasserrecht, Bauaufsicht, Betriebssicherheitsverordnung und EG-Maschinenrichtlinie grundsätzlich für die Abgabe von E10plus-Kraftstoffen geeignet sind. Eine analoge Vorgehensweise wie bei der Einführung von AdBlue an der Tankstelle ist bei der Einführung von E10plus empfehlenswert.

In der Praxis wird die Kompatibilität von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Darum sollten sich Tankstellenbetreiber beim Hersteller oder Lieferanten der Originalausrüstung beziehungsweise dem Fachplaner der Tankstelle vergewissern, dass alle installierten Geräte mit dem an der Tankstelle zu lagernden und abzugebenden Kraftstoff unter Berücksichtigung der abgestrebten Ethanol-Blendrate vollständig kompatibel sind. Darüber hinaus müssen die Zapfsäulen und Tankwagen auf die jeweilige Dichte von E10plus-Kraftstoffen eingestellt werden.

Fazit

Tankstellenbetreiber, die die Abgabe von E10plus-Kraftstoffen planen, sollten grundsätzlich proaktiv mit den zuständigen Behörden und der für die Tankstellen zuständigen ZÜS zusammenarbeiten, um sich die Einhaltung der Rechtsvorschriften bei der Abgabe des Produkts an dem jeweiligen Standort bescheinigen zu lassen. Die Einhaltung der Vorschriften, dürfte für die meisten Tankstellen kein Hindernis darstellen.

Der Autor

Dr.-Ing. Klaus Lucka ist geschäftsführender Gesellschafter der TEC4FUELS GmbH, einem Kompetenzzentrum für konventionelle und alternative Brenn-, Kraft-, Treib- und Schmierstoffe und deren Anwendung in bestehenden und neuen Technologien. Klaus Lucka bringt seine Expertise zur Herstellung und Anwendung alternativer und konventioneller Brenn- und Kraftstoffe und Trends in der Mineralölwirtschaft in Arbeitskreise und Gremien verschiedener Institutionen ein.